Herr, unser Gott, wenn unsere Vergehen uns anklagen,
so hilfst du uns doch um deines Namens willen. Jeremia 14,7
Liebe Leserinnen und Leser,
sicher kennen Sie alle den Ausspruch: „Das ist weder Fisch noch Fleisch.“ Damit ist
gemeint, dass eine bestimmte Aktion oder die Äußerung eines Menschen so uneindeutig
ist, dass man nicht weiß, in welche Richtung das Ganze gehen soll. Politiker sind für
solche Äußerungen bekannt, weil sie niemanden ihrer möglichen Wählerinnen und
Wähler verprellen wollen. Also lavieren sie sich oftmals durch und machen keine klaren
Ansagen. Auch bei manchen Dingen des Alltags trifft dieses Wort zu…
Mir geht es mit dem Kar-Samstag ähnlich. Er liegt irgendwie „dazwischen“: Zum einen
gehört er natürlich ganz klar zur Karwoche, wie Karfreitag und Gründonnerstag und ist
ein stiller Tag. Christen denken an den toten Jesus und die Glocken schweigen. Und
doch ist es anders als etwa am Karfreitag: Es ist kein gesetzlicher Feiertag, wir können
einkaufen (hoffentlich ohne allzu großen Stress in der Corona-Zeit), und nach dem
Kalender ist es, wenn wir den heutigen Abend etwas länger aufbleiben, plötzlich schon
Ostern, wobei wir natürlich wissen, dass Ostern erst mit der aufgehenden Sonne am
morgigen Sonntag beginnt.
Auch beim Losungstext ist es nicht anders: Da ist von früheren „Vergehen“ die Rede
und davon, dass Gott seinem Volk helfen möge, von Vergangenheit und Zukunft also.
Christen leben aus der Vergeben Gottes heraus und können Vergangenes hinter sich
lassen. Aber Vergebung ist kein Selbstzweck und erst recht kein Automatismus der uns
immer weitermachen lässt wie bisher. Also bringt es nicht viel, nur zurückzusehen, wenn
Gott uns einen Neuanfang schenken will- auf nichts andres hoffte auch das gebeutelte
und verunsicherte Volk zur zeit Jeremias.
In den Zeitungen lese ich, dass viele Branchen der Wirtschaft darauf hoffen, dass in
Deutschland nun bald wieder Normalität eintritt. Das ist zum einen verständlich, zum
anderen geht mein Blick eher in eine andre Richtung, sodass ich mich frage: Was können
wir als Christen, im Blick auf das „Morgen“, aus der Krise lernen, aus der Krise
„mitnehmen“, wenn sie einmal beendet sein wird? Die Umwelt, Gottes gute Schöpfung,
atmet in diesen Tagen spürbar auf, Fabriken verpestend die Luft viel weniger, der
Himmel ist nicht mehr von Kondensstreifen übersät, die die Erde aufheizen, manche
dreckig-braunen Flüsse werden wieder blau und Fische tummeln sich in ihnen. Und was
besonders schön ist: Viele Menschen zeigen Solidarität mit anderen, mit schwächeren,
benachteiligten, Kranken. Nächstenliebe nennt das die Bibel.
Für die Zukunft ist es mir nicht so wichtig, dass ich möglichst bald wieder in Cafés oder
Restaurants das Leben genießen kann oder in den Urlaub fahren kann: All das ist schön,
aber wichtiger ist mir die Frage, was von demGuten, das in der Krise als normal gilt,
bestehen bleibt, nach dem biblischen Motto: „Prüfet alles und das Gute behaltet.“
Seien Sie behütet und gesegnet!
Ihr Eckhard Dierig, Pfarrer