Weh denen, die weise sind in ihren eigenen Augen
und halten sich selbst für klug! Jesaja 5,21
Liebe Leserinnen und Leser,
vielleicht kennen Sie die Oper „Zar und Zimmermann“ von Albert Lortzing, die 1837
uraufgeführt wurde. Historisches Vorbild war die als „Große Gesandtschaft“ bekannt
gewordene Reise des Zaren Peter I. Er reiste unter falschem Namen und zunächst unerkannt
in den Westen, um u. a. in den Niederlanden Erfahrungen im Schiffbau zu sammeln.
Hier studierte er die Konstruktion seegängiger Segler, die er als Modellschiffe kopieren
und in Russland später nachbauen ließ. Der Zar war ein weltgewandter Mann und
wollte sein Reich auf diese Weise modernisieren und vermutlich näher an den Westen
heranrücken.
In der „Komischen Oper“ von Lortzing passieren nun allerlei Verwechslungen. Eine der
auffälligsten Personen ist dabei ein aufgeblasener Bürgermeister, der meint alles zu
durchschauen, in Wirklichkeit aber auch einer Verwechslung auf den Leim geht und
nicht dem wirklichen Zaren huldigt, sondern einem von dessen Begleitern. Er wird in
dieser Oper der Lächerlichkeit preisgegeben, während in einer seiner Hauptarien mehrfach
der Satz zu hören ist:
„Ja, ich bin klug und weise
und mich betrügt man nicht.“
Er ist damit ein klassisches Beispiel für einen Menschen, der sich für schlau, gewitzt und
weise hält, ohne es auch nur ansatzweise zu sein. Solche Menschen hat es schon immer
gegeben und bei Jesaja werden sie in aller Deutlichkeit angeprangert. Der Satz unserer
Losung steht übrigens nicht allein, sondern gehört in eine Reihe von kritischen Sätzen,
die in der Lutherbibel mit den Worten überschrieben sind: „Wehruf über die Sünden der
Großen“. Auch andere Laster werden unter dieser Rubrik genannt wie Raffgier, Trunkenheit
und Ungerechtigkeit. Es sind Mächtige und Reiche, die Jesaja ins Visier nimmt.
Interessanterweise wird im Losungswort nicht gesagt, dass die aufgeblasenen und selbstgerechten
Menschen nicht vielleicht doch in gewissem Umfang klug sind. Aber wie sie
sich verhalten, das fordert die Kritik des Propheten heraus. Sich selber nämlich für weise
zu halten, sich selbst gar für einen „zweiten Salomo“ zu halten, wie es der Bürgermeister
in Lortzings Oper tut, das kritisiert Jesaja heftig.
Nun war Salomo in der Tat ein weiser König. Sein Reichtum, seine Macht und eben besonders
seine Weisheit waren damals und sind auch noch heute weltbekannt. Berühmt
ist etwa sein Urteil, das als „salomonisches Urteil“ in unseren Schatz an Redewendungen
eingegangen ist, bei dem er zwischen zwei Frauen zu entscheiden hatte, wem das Kind
gehörte, das beide für sich beanspruchten.
Aber die Weisheit in der Bibel ist letzten Endes noch etwas Anderes. In der Heiligen
Schrift wird derjenige als weise bezeichnet, der Gott in sein Leben einbezieht, wer ihn
außen vor lässt, ist weit von dieser Weisheit entfernt. Wir müssen solche Menschen nicht
verurteilen, aber ihnen entgeht etwas, nämlich das Wissen, woher sie kommen, wer sie in
ihrem Leben begleitet und wohin sie einmal gehen werden… Schade.
„Ich bin klug und weise…“: Würden wir es doch alle im biblischen Sinn werden…
Seien Sie behütet und gesegnet!
Ihr Eckhard Dierig, Pfarrer